Antimikrobielle Ausstattung von Oberflächen durch Verfahrens- und Wirkstoffkombination
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Industrieforschungseinrichtung INNOVENT e.V. haben schon vor den aktuellen Ereignissen um Covid-19 antimikrobielle Oberflächen als Themenschwerpunkt aufgegriffen. In den letzten Jahren konnten hierbei umfangreiche Kompetenzen im Fachgebiet der antimikrobiellen Beschichtungen, Ausstattung und Materialentwicklung erlangt werden.
Diese Kompetenzen werden durch das komplexe Zusammenspiel von Verfahrenskombinationen wie der Beflammung, Plasmabeschichtung, Sol-Gel-Technologie sowie weiteren Verfahren wie dem Elektrospinnen abgerundet. Die hierbei eingesetzte Wirkstoffbandbreite reicht von Naturstoffen über Materialien wie Silber, Kupfer, Zinkoxid und quartären Ammoniumverbindungen (QAVs) hin zu Antibiotika. Durch Kooperationen mit Kliniken und anderen Forschungseinrichtungen konnte die Expertise immer weiter ausgebaut werden.
Das Thema antimikrobielle Oberflächen und Produkte ist sowohl im Bereich der Krankenhausversorgungen und der ambulanten Betreuung von Patienten sowie in sensiblen Bereichen wie der Lebensmittelbranche und anderen konsumorientierten Dienstleistungsbranchen aktuell. Durch die Ausbreitung von antibiotika-resistenten Mikroorganismen und Infektionskrankheiten wird diese Situation weiter verschärft. Bakterielle Infektionen stellen auch in der modernen Medizin sehr ernstzunehmende Komplikation dar, die das Behandlungs- bzw. Operationsergebnis und damit die Heilungschancen in hohem Maße gefährden. Daher werden im Bereich Biomaterialien unterschiedliche Strategien zur antimikrobiellen Ausrüstung von Medizinprodukten verfolgt. Für Implantate werden zum einen Beschichtungsmethoden zur verzögerten Freisetzung von Antibiotika entwickelt, beispielsweise durch Inkorporation von Wirkstoffen in eine polymere Trägermatrix oder die Generierung schichtbildender Wirkstoffmodifikationen. Zum anderen werden antibakteriell wirkende Polymere synthetisiert, die chemisch an Oberflächen gebunden werden und als Kontaktbiozide wirken. Des Weiteren können mittels Electrospinning wirkstoffhaltige Fasern erzeugt werden, die als Drug-Delivery-System direkt auf Oberflächen abgeschieden werden oder in Form elektrogesponnener Vliese als antibakterielle Wundauflagen Verwendung finden können. Zudem werden in Hinblick auf zunehmende Resistenzentwicklungen gegenüber herkömmlichen Antibiotika neue Ansätze verfolgt, wobei z.B. die getriggerte Freisetzung gegen MRSA wirksamer Neurotransmitter wie Stickstoffmonooxid (NO) oder Kohlenstoffmonooxid (CO) aus elektrogesponnenen Materialien möglich wird (siehe Abbildung 1).
Im Bereich Oberflächentechnik können durch verschiedenste Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen wichtige regulatorische Vorschriften gewahrt und auf veränderte Bedingungen in nahezu jedem Anwendungsgebiet reagiert werden. In zahlreichen Versuchen auf verschiedenartigen Materialien konnten mittels verschiedener Beschichtungsverfahren wirkstoffbeladene Verbundschichten aufgebracht und anschließend bewertet werden. Hierbei werden feinste Partikel der genutzten Wirkstoffe in einem Siliziumoxid-Matrixverbund an der Oberfläche der jeweiligen Materialien appliziert. Das morphologische Erscheinungsbild einer solchen Beschichtung wird beispielhaft in Abbildung 2 dargestellt.
Als Beispiele konnte die Wirksamkeit von Zinkoxid und Silber gegen multiresistente Keime bei sehr geringer Konzentration der Wirkstoffe (1-5 Atomprozent) unter Beweis gestellt werden. Die antimikrobielle Wirkung gegen die Krankenhauskeime S. aureus (MRSA) und K. pneumoniae wurde bereits durch mehrere Normprüfungen bestätigt. Eine praktische Anwendung dieser Beschichtung ist in Abbildung 3 zu sehen. Diese Tastatur für den Krankenhausgebrauch wurde mit einer antimikrobiell wirkenden Zinkoxidbeschichtung ausgestattet.