Die für zukünftige Rechnerarchitekturen entwickelten physikalischen Konzepte und Experimente wurden von Wissenschaftlern der Universität Wien, der RPTU Kaiserslautern-Landau, dem Institut für Physik in Kiew (Ukraine) und chinesischen Partnern geplant und auf den mit Flüssigphasenepitaxie (LPE) hergestellten einkristallinen Schichten realisiert. Qi Wang, der Hauptautor der beiden Artikel die kürzlich in den öffentlich zugänglichen, fächerübergreifenden Fachzeitschriften „Science Advances“ [1] und „Nature Communications“ [2] erschienen sind, promovierte auf dem Gebiet der Spinwellenphysik an der RPTU-Kaiserslautern-Landau in der Arbeitsgruppe von Andrii Chumak (jetzt Professor an der Fakultät für Physik der Universität Wien). Wang wurde vor kurzem als Professor an der Fakultät für Physik der Huazhong University of Science and Technology, Wuhan (China) berufen und leitet dort eine Arbeitsgruppe, die sich ebenfalls mit Spinwellenphysik beschäftigt. Bereits in Kaiserslautern nutzte er für seine Arbeiten die von INNOVENT hergestellten nanometer-dünnen, einkristallinen YIG-Schichten und entwickelte einen nanoskaligen Spinwellen-Richtkoppler, der eine Vielzahl von herkömmlichen Transistoren in der Halbleitertechnologie ersetzen kann [3].
In den nun erschienenen Artikeln [1, 2] wurde ein neues Konzept aufgezeigt, mit dem man Spinwellen mit identischen Amplituden in nanoskaligen Wellenleitern unter Nutzung üblicher mikroskopischer Antennen anregen kann. Solche Antennen weisen niedrige Widerstände sowie hohe Anregungseffizienzen auf und können mittels Photolithographie einfach strukturiert werden, was eine direkte “on-Chip”-Integration dieser Antennen ermöglicht. Das neue an dem Konzept ist nun, dass die Wellenlängenbegrenzung, die durch die Größe der mikroskopischen Antennen physikalisch vorgegeben ist, umgangen werden konnte. Außerdem konnte das technologische Problem stets existierender Fertigungs- und Widerstandstoleranzen der Antennenstrukturen gelöst werden. Die bisher auftretenen Schwankungen in der Amplitude und die daraus resultierende Notwendigkeit einer präzisen Kontrolle der Mikrowellenleistung jeder einzelnen Antenne konnten durch die Erzeugung von Spinwellen mit identischen Amplituden bei gleicher Frequenz beseitigt werden. Somit wurde eine der kritischen Herausforderungen zur Realisierung von magnonischen Schaltkreisen gelöst, die nun eine Fertigung von Millionen von potentiellen Antennen in einem Schaltkreis gestatten. Da die Leistung der erzeugten Spinwellen außerdem unabhängig von der Mikrowellenleistung ist, führt dies zu einem beträchtlich vereinfachten Design solcher Schaltkreise.
Die Erweiterung des neuen Konzeptes, welches in Artikel [2] präsentiert wird, ermöglicht nun das bi-stabile Schalten zwischen zwei Ausgangszuständen unter Nutzung von Spinwellen, welches die Basis für eine breite Anwendung in Speichern und für logische Operationen darstellt. Die hierfür genutzte zusätzliche Antennenstruktur kann als universeller magnonischer Verstärkerbaustein genutzt werden, wenn diese vor jedem Eingang eines magnonischen logischen Gates platziert wird. Diese ist in der Lage sowohl die Spinwellendegeneration (Amplitudenabnahme) als auch die Phasenverzerrung durch die vorherige Spinwellenausbreitung auszugleichen. Somit können die nachfolgenden Logik-Bauelemente direkt die transmittierten Spinwellen der magnonischen Verstärker als Eingangssignale nutzen, ohne dass eine weitere Amplituden- oder Phasenmodulation notwendig ist. Das ermöglicht die Realisierung integrierter magnonischer Schaltkreise für kaskadierte magnonische Logikelemente mit Amplitudeninformations-Kodierung für komplexe Boolean-Schaltkreise bzw. magnonische Synapsen in neuromorphen Netzwerken. Da sowohl die Amplituden als auch die Phasen der Ausgangssignale unabhängig von der Erzeugerleistung sowie der Pumpleistung der Antennen sind, wird ein einfaches sowie robustes Design magnonischer Schaltkreise möglich.
INNOVENT konnte als zuverlässiger Forschungspartner der universitären Einrichtungen durch die Entwicklung und das zur Verfügung stellen der Basismaterialien seinen Teil an der Entwicklung potentieller Computerchips der Zukunft beitragen und wird auch weiterhin mit der Materialentwicklung hochqualitativer YIG-Schichten seine Partner unterstützen.
[1] https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adg4609
[2] https://www.nature.com/articles/s41467-024-52084-0
[3] https://www.nature.com/articles/s41928-020-00485-6
Autor: Dr. Carsten Dubs, Bereich „Magnetische und optische Systeme“